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Tempo muss runter!

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Auf der Ludwigshafener Straße in Dessau gilt Tempo 70. Der adfc fordert die Regelgeschwindigkeit Innerorts. Der jüngste Unfall mit Todesfolge eines Radfahrers ist Anlass genug. Welche Argumente sprechen dafür?

Querung ohne Ampel und Radweg ohne Sicherheitsstreifen. Argumnete für Tempo 50. Foto: adfc Dessau

Die Unfallstelle. Querung ohne Ampel und Radweg ohne Sicherheitsstreifen. Argumente für Tempo 50. Foto: adfc Dessau

In Deutschland unterliegt die Verkehrsorganisation der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). In der StVO heißt es im §3 Absatz 3 zur Geschwindigkeit: „Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h“.
Für diese Geschwindigkeit wird der Begriff Regelgeschwindigkeit gebraucht. Das bedeutet es bedarf keiner zusätzlichen Beschilderung. Allen Verkehrsteilnehmern ist bekannt: Ab dem gelben Ortsschild gilt Tempo 50. Folglich müssen keine Schilder aufgestellt werden, sondern die Tempo 70 Schilder auf der Ludwigshafener Straße lediglich entfernt werden. Für diesen Fakt sind kein Ermessen und keine öffentlichen Diskussionen nötig. Die Festlegung obliegt alleinig den Behörden – nicht der Politik, nicht der öffentlichen Meinung und schon gar nicht einer (Welcher?) Situation. Seit dem Jahr 2009 gilt nach VwV-StVO, dass Geschwindigkeiten über 50 km/h innerörtlich zulässig sind, wenn querender Fußgänger- und Radverkehr durch Lichtsignalanlagen (Ampeln) geregelt wird. Das ist augenscheinlich an den besagten Querungsstellen auf der Ludwigshafener Straße nicht der Fall.
Die bauliche Ausführung von Stadtstraßen unterliegt der „Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen“ (RASt) aus dem Jahr 2006. Der Passus „Umgehungsstraße“ existiert dort nicht. Das Wort ist lediglich eine Beschreibung für Straßenbauprojekte. Wenn auf der Ludwigshafener Straße die Regelgeschwindigkeit 50 gilt, dauert die Fahrt von der Askanischen Straße zur Heidestraße 1 Minute länger als derzeit und schränkt objektiv nicht die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs auf dieser „Umgehungsstraße“ ein.
Für die bauliche Anlage von Radwegen gelten in Sachsen-Anhalt und im Bundesgebiet die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) aus dem Jahr 2010. Die derzeitige Verkehrsorganisation auf der Ludwigshafener Straße entspricht der Situation „außerorts“. Für diese Situation sieht die ERA einen Sicherheits- (Trenn-) streifen von mindestens 1,75 Meter zwischen Radweg und Fahrbahn vor, der nicht vorhanden ist. Bei der Regelgeschwindigkeit von 50 km/h sind bei hoher Verkehrsstärke 0,75 Meter vorzusehen, die ebenfalls nicht vorhanden sind. Für diesen Zweck müsste bei den gegebenen Querschnitten die rechte Fahrspur gesperrt werden. Die geforderten Umlaufsperren – sog. „Drängelgitter“ für den Radverkehr sieht die ERA zur Querung des Schienenverkehrs in Ausnahmefällen vor. Wir weisen diese Forderung eines Lesers der MZ auf das schärfste zurück, da der Stadtrat im Januar 2016 einstimmig das Radverkehrskonzept beschlossen hat, in welchem die Förderung des Radverkehrs mit geltenden Richtlinien und nicht die Benachteiligung umzusetzen ist.
Sollte sich die Verkehrsorganisation auf dem besagten Abschnitt nicht ändern, behalten wir uns rechtliche Schritte vor. Als Anwalt der schwachen Verkehrsteilnehmer sehen wir keine andere Möglichkeit geltende Regeln und Respekt zu Gunsten der gleichberechtigten Radfahrer und Fußgänger durchzusetzen. Die pauschalen Schuldzuweisungen in Richtung des getöteten Radfahrers, der nach unseren Recherchen ein routinierter Radfahrer war, machen uns betroffen und beweisen die Erosion des menschlichen Maßes in der Mobilität. Wir erwarten die notwendigen Maßnahmen der Stadtverwaltung.

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